Allerseelen
Warum finden Sie hier und heute einen Impuls zum Hochfest „Allerseelen“ und nicht einen solchen gestern zu dem wesentlich populäreren Fest „Allerheiligen“? Dieser Tag erscheint uns schon deswegen als viel bedeutsamer, weil es ein arbeitsfreier Tag ist, ein Tag zum Ausruhen, z.B. von anstrengenden Halloween-Partys.
Überhaupt ist Allerheiligen doch auch viel besser geeignet für ein Familientreffen auf dem Friedhof, vielleicht am Grab von Vater und Mutter, Oma und Opa. Denn das gehört sich doch auch so: am 1. November geht man mit Blumengestecken und Kerzen auf den Friedhof.
Ist das so?
Eigentlich ist seit dem 16. Jahrhundert der 2. November der Tag, an dem man an alle Verstorbenen besonders denkt, an alle Seelen, deshalb Allerseelen. Und zu diesem „Feiertag“ gibt es weltweit auch ein ausgeprägtes Brauchtum, wie man bei Wikipedia nachlesen kann:
„Auf den Friedhöfen im Mainzer Raum wird die traditionelle Mainzer Kerze, der Newweling, angezündet.
Weit verbreitet ist vielerorts die Tradition, an Allerseelen sogenannte „Totenbrote“ zu backen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Zopfgebäcke. Diese Praxis hat möglicherweise einen heidnischen Hintergrund, da es in vorchristlicher Zeit üblich war, Speisen und Getränke an die Gräber der Verstorbenen zu bringen. Auf den Abt von Cluny geht schließlich der Brauch zurück, Bedürftigen an Allerseelen Brot und Wein zu überreichen. Später schenkte man auch Speisen an reichere Leute, die im Gegenzug dazu angehalten wurden, für die Verstorbenen zu beten.
Überhaupt war Allerseelen für die Menschen früher auch magisch konnotiert. So hielt sich lange Zeit hartnäckig die Vorstellung, dass Verstorbene als Geister an diesen Tagen umherwandern und ihre Angehörigen aufsuchen. Das Gedenkfest verband sich also in den Köpfen der Gläubigen durchaus mit Aspekten des Aberglaubens.
Vielerorts, unter anderem auf den britischen Inseln, gab es einen Brauch, bei dem arme Kinder Allerseelenkuchen, sogenannte „Seelen“, erbetteln konnten. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Brauch über irische Auswanderer nach Amerika gelangte und hier die Wurzeln des Heischebrauchs, „Trick or treat“ liegen.
Das mexikanische Totenfest Dia de Muertos ging aus einer Vermischung indigener Traditionen mit dem Allerseelentag hervor.“
Für mich hat Allerseelen vor allem seit 10 Jahren eine besondere Bedeutung:
Am 2. November 2014 wurde in der ehemaligen Gemeindekirche St. Pius in Bochum-Wattenscheid eine zweite Urnen-Beisetzungskirche, ein Kolumbarium, eingeweiht. Nach längerer Bauzeit erhielt diese „weitere Kirche“ eine neue Bestimmung: die Beherbung von 2500 Urnen. Damit verbunden ist ein trauerpastorales Angebot, das aus Treffen für trauernde Angehörige, Konzerten, Lesungen und Gottesdiensten zu verschiedenen jahreszeitlichen Anlässen besteht.
Hier wird nicht nur an Allerseelen an die Seelen der Verstorbenen gedacht, hier sind Kerzen und Blumen, Gespräche und Gedenken tagtäglich ein „lebendiges“ Zeichen für eine Erinnerungskultur, die uns die Verstorbenen immer wieder nahebringen.
Allerheiligen – ein Gedenktag für diejenigen, die ein heiligmäßiges Leben geführt haben.
Allerseelen – eine Möglichkeit der Erinnerung an die Seelen derjenigen, die Gott bei sich aufgenommen hat, um sie heil werden zu lassen.
Elisabeth Hartmann-Kulla