Vor gut 20 / 22 Jahren war ich an einem 8. März zur Geburtstagsfeier meines Neffen Daniel eingeladen. Es war eine größere Feier mit vielen Gästen. Auch seine Schwiegereltern, die lange in Polen gelebt haben, waren zur Feier gekommen. Überrascht hat mich eine sehr schöne Geste: Der Schwiegervater meines Neffen schenkte allen anwesenden Frauen eine rote Nelke und gratulierte ihnen damit zum Internationalen Frauentag. Zwar hatte ich schon vom Weltfrauentag gehört, doch diesen Brauch aus den sozialistisch regierten Ländern kannte ich nicht. Ich denke, es ist ein besonderes Zeichen, Frauen anlässlich des Weltfrauentages eine Blume mit einer roten Blüte zu überreichen, ihnen zu gratulieren. Frauen auf diese Weise mit dem Überreichen einer Blume ganz persönlich Respekt und Wertschätzung zu zeigen! Auch wenn das Geschenk nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Frauen für die Durchsetzung ihrer Rechte, für ihre Gleichberechtigung schon einen langen Weg gehen mussten und immer noch gehen müssen. Und dass sie noch lange nicht am Ziel sind.
Am 8. März wird der Internationale Frauentag als Gedenktag begangen oder ist – wie in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Berlin – in vielen anderen Ländern ein gesetzlicher Feiertag. Ein Blick auf die Geschichte dieses Tages zeigt eine never-ending story. Frauenorganisationen machen in jedem Jahr auf die Benachteiligungen von Frauen und Mädchen aufmerksam. Weltweit demonstrieren Frauen am 8. März für die Gleichberechtigung von Frau und Mann, für mehr Rechte am Arbeitsplatz. Sie setzen sich ein gegen Diskriminierung, Benachteiligung und Unterdrückung. Und das seit über hundert Jahren.
Denn der Internationale Frauentag entstand schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eine Initiative sozialistischer Organisationen. 1910 wurde auf der sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen beschlossen, jedes Jahr mit einen Internationalen Frauentag für Gleichberechtigung, für das Frauenwahlrecht, für die Emanzipation von Arbeiterinnen zu kämpfen. Die Idee zu diesem Frauentag stammt aus Nordamerika. Dort wurde bereits 1909 ein erster Frauentag durchgeführt. Doch die Geschichte dieses Gedenktages begann noch früher. Schon am 8. März 1857 sollen Frauen in einer Textilfabrik in New York für das Frauenwahlrecht, für bessere Arbeitsbedingungen wie kürzere Arbeitszeiten, höhere Löhne, mehr Arbeitsschutz gestreikt haben. Und im Jahre 1911, am 19. März, rufen dann Gewerkschaften, Sozialdemokraten, Sozialisten zu einem Frauentag auf in Deutschland, Dänemark, Österreich, Ungarn und der Schweiz. Ab 1921 gibt es ein festes Datum für den Weltfrauentag: den 8. März.
Die Sozialistin Klara Zetkin gilt als Initiatorin des Internationalen Frauentags. Als Chefredakteurin für die sozialdemokratische Frauenzeitschrift ‚Die Gleichheit‘ setzt sie sich für die Rechte von Frauen ein. Die wichtigste Voraussetzung für die Emanzipation der Frau liegt für sie in der wirtschaftlichen Unabhängigkeit durch Erwerbsarbeit. Sie sieht allerdings auch den Konflikt der Frauen zwischen Berufs- und Familienpflichten. Deshalb fordert sie von der Politik besondere Gesetze für die Frauenarbeit. Das Frauenwahlrecht ist für sie eine wirksame Möglichkeit, politische Gleichberechtigung durchzusetzen und Frauen zu organisieren.
Seit über einhundert Jahren kämpfen Frauen weltweit am 8. März für ihre Rechte, für ihre Gleichberechtigung, machen auf Diskriminierung und Benachteiligungen aufmerksam. Viele Ziele haben Frauen erreicht, aber es ist noch viel Luft nach oben. Und die heutigen Forderungen ähneln denen von vor hundert Jahren in einigen Punkten sehr. Zum Beispiel die Forderung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit.
Der Weltfrauentag am 8. März ist allerdings auch eine gute Gelegenheit, Wertschätzung zu zeigen für die vielen Frauen, die sich für Frauenrechte engagiert haben und das beispielhaft immer noch tun. Sie für ihr Tun zu loben und auf Erfolge hinzuweisen, die sonst vermutlich unbemerkt blieben. Und nicht zuletzt ihnen mit einer charmanten Überraschung wie zum Beispiel einer Blume Respekt und Dank zu zeigen für ihr vorbildliches Handeln.
Ulrike Fendrich